CBDC Diskussionspapier
Digitale Zentralbankwährung: Chance, Risiken und Distributed Ledger Technologie
Inhaltsverzeichnis
Einführung……………………………………………………………………………………………………………….. 1
CBDC und das aktuelle Geldsystem………………………………………………………………………….. 2
Motive einer CBDC-Einführung…………………………………………………………………………………. 3
Rollout einer CBDC am Beispiel des digitalen Euros…………………………………………………. 4
Risiken einer CBDC-Einführung……………………………………………………………………………….. 5
CBDC mittels Distributed Ledger Technologie ?……………………………………………………….. 7
Fazit…………………………………………………………………………………………………………………………. 7
Zahlreiche Zentralbanken planen aktuell und innerhalb der nächsten Jahre, eigene digitale Zentralbankwährungen einzuführen. Die Distributed Ledger Technologie (DLT) kann dafür die technologische Basis darstellen. Zentralbanken experimentieren mit dieser Technologie, um Währungen perspektivisch auf DLT-Basis abzubilden.
Ein besonderes Jahr für das globale Finanzsystem war das Jahr 2008. Neben dem Beginn der Finanzkrise wurde in diesem Jahr eine fundamental neue Form des Geldes geboren: Bitcoin markierte den Start für sogenannte Kryptowerte – auf einer Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und Kryptografie basiertes, digitales Geld. Die Geburt dieser Kryptowerte und spätestens die Ankündigung von Facebook, im Sommer 2019 mit „Libra“ einen globalen DLT-basierten Kryptowert als weltweites Zahlungsmittel etablieren zu wollen, haben Zentralbanken weltweit dazu veranlasst, sich mit der Digitalisierung des Geldes und der Emission eigener digitaler Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies, CBDC) auseinanderzusetzen (Groß et al., 2019).
Betrachtet man den Status quo der Banken-IT, welche sich regelmäßig durch eine heterogene und historisch gewachsene IT-Architektur auszeichnet, so kann man provokant die Frage stellen, ob diese überhaupt für derartige Innovationsprojekte geeignet ist. Die Beantwortung dieser Frage wird maßgeblich davon abhängen, wie der digitale Euro ausgestaltet wird
Diverse veröffentlichte Studie der Bank for international Settlement (BIS) zeigt, dass aktuell 70 % aller weltweiten Zentralbanken die Ausgabe einer eigenen digitalen Zentralbankwährung untersuchen (Boar et al, 2020), ca. 10 % dieser Zentralbanken planen innerhalb der nächsten ein bis drei Jahre, eine solche digitale Währung einzuführen – in den nächsten sechs Jahren sogar 20 %. Es zeigt sich insofern ein klarer Trend: Immer mehr Zentralbanken beschäftigen sich intensiv mit dem Thema CBDC und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ersten CBDC auf den Markt kommen.
CBDC lassen sich in Retail– und Wholesale–CBDC unterteilen.
Bei Wholesale-CBDC ist der Zugang auf spezielle Finanzinstitutionen (vor allem Banken) beschränkt. Dementsprechend würden Wholesale-CBDC vor allem im Interbankenmarkt Anwendung finden und könnten nicht als allgemeines Zahlungsmittel genutzt werden.
Retail-CBDC hingegen sind der breiten Öffentlichkeit zugänglich – hier geht es letztendlich darum, physisches Bargeld zu digitalisieren.
Während Wholesale-CBDC durch die alleinige Anwendung im Interbankenmarkt keine fundamentalen Veränderungen des zweigliedrigen Geldsystems aus Zentral- und Geschäftsbanken hervorrufen würden, wäre die Einführung von Retail-CBDC als allgemeines Zahlungsmittel eine erhebliche Veränderung des bestehenden Geldsystems. Insofern liegt der Fokus des vorliegenden Beitrags auf Retail-CBDC.
Mögliche Vorteile einer digitalen Zentralbankwährung wären eine höhere finanzielle Stabilität, eine höhere Sicherheit und Effizienz im Zahlungsverkehr und ein höherer Automatisierungsgrad von Geschäftsprozessen. Risiken beständen darin, dass es nach einer Einführung zu einem digitalen Bank Run kommen könnte, dass Banken immens an Bedeutung verlieren könnten und letztlich die Datenschutzproblematik geklärt werden muss. Insbesondere in Bezug auf die mögliche Anonymität von CBDC Transaktionen und die damit verbundene Geldwäsche- und Finanzkriminalitätsprüfungen.
Aktuell gibt es international viele CBDC-Projekte. China hat im April 2020 als erste entwickelte Volkswirtschaft einen Testlauf des CBDC-Projekts DC/EP gestartet. Weitere Tests sollen zu den Olympischen Winterspielen 2022 durchgeführt werden. Die Schwedische Zentralbank analysiert bereits seit 2017 die Ausgabe einer digitalen Variante der Schwedischen Krona (E-Krona) und testet einen DLT-basierten E-Krona-Prototypen (Riksbank, 2020). In der Karibik untersucht die Eastern Caribbean Central Bank die Anwendbarkeit der DLT für einen digitalen Eastern Caribbean Dollar. Der Sand-Dollar der Bahamas verfolgt ein ähnliches Ziel und ist seit Dezember 2019 in einer Pilot-Phase für die Bürger der Bahamas verfügbar. Auch der SOV, ein Kryptowert der Marshall Islands, soll in den nächsten Monaten getestet werden. Vorreiter der theoretischen Debatte rund um CBDC war die Bank of England, die 2015 das Thema aufgrund der starken Dynamik um Kryptowerte und DLT in ihre Research Agenda aufgenommen hat. Die Zentralbank von Thailand vergab im Juni 2021 die Pilotierung ihrer digitalen Zentralbankwährung für Privatkunden.
CBDC und das aktuelle Geldsystem
Als gesichert gilt, dass ein digitaler Euro als digitale Zentralbankwährung, central bank digital currency – CBDC, ausgestaltet würde. Sie hätte denselben Wert wie alle anderen Formen von Zentralbankgeld. Emittent einer digitalen Währung wäre die jeweiligen Zentralbank eines Landes, welche diese zur Steuerung geldpolitischer Ziele einsetzen könnte. Voraussetzung für eine Emittierung als CBDC wäre eine Anpassung der entsprechenden Gesetze und Verordnungen – wie im Falle eines digitalen Euros, der Euro-Einführungsverordnung (EuroEinfVO). Denn im Euro-Raum sind bislang nur auf Euro lautende Banknoten und Münzen als unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel anerkannt
Um die ökonomischen Implikationen von CBDC einordnen zu können, lohnt es sich, CBDC mit Hinblick auf den Aufbau des bestehenden Geldsystems zu diskutieren. Derzeit existieren drei Formen von umlaufendem Geld:
- Bargeld stellt den Anker des bestehenden Geldsystems dar. Es ist das einzige gesetzliche Zahlungsmittel und kann nur von der Zentralbank emittiert werden. Es ist Peer-to-Peer, also ohne Intermediär, transferier bar, ist nicht digital, jedoch der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Zudem ermöglicht es anonyme Transaktionen und ist nicht verzinst.
- Giralgeld wird von Geschäftsbanken proaktiv emittiert und stellt einen Anspruch an eine Geschäftsbank auf Auszahlung von Bargeld dar. Der Kontostand eines Bankkunden bedeutet insofern, dass Bargeld in Höhe des angezeigten Betrags vom Kunden von seinem Bankkonto abgehoben werden kann. Das Giralgeld im Euroraum ist laut Europäischer Zentralbank (EZB) jedoch nur durch rund 13 % Bargeld und sonst vor allem durch Forderungen an Kreditnehmer und andere Vermögenswerte gedeckt (EZB Statistical Data Warehouse, 2020). Dies macht das Halten von Giralgeld risikobehaftet: Bankkunden sind Liquiditäts-, Markt- und Gläubigerrisiken der Kreditnehmer ausgesetzt. Trotzdem ist Giralgeld 1:1 an den Wert des Bargelds gebunden und kann zum selben Nennwert in bar abgehoben werden. Der Zinssatz auf Giralgeld-Einlagen wird von der jeweiligen Bank festgelegt, orientiert sich allerdings an den Refinanzierungszinsätzen der Banken bei der Zentralbank.
- Zentralbankreserven (Reserven) werden von der Zentralbank emittiert und sind der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich. Es handelt sich um von der Zentralbank ausgegebenes Geld, sodass der Halter des Geldes – anders als beim Giralgeld der Banken – keinem Liquiditäts- oder Gläubigerrisiko ausgesetzt ist. Zentralbanken können im Gegensatz zu privaten Banken systembedingt und per Definition nicht insolvent gehen, da sie die einzigen Institutionen sind, die gesetzliche Zahlungsmittel erzeugen und im Notfall auch mit negativem Eigenkapital arbeiten können (Bunea et al., 2016). Somit stellen Zentralbankreserven (wie auch Bargeld) ein risikofreies Geld dar – sie sind allerdings im Gegensatz zu Bargeld über digitale Zahlungssysteme übertragbar. Reserven sind zinstragend ausgestaltet und werden zum Einlagezinssatz der Zentralbank verzinst.
Retail-CBDC würden eine weitere, vierte Art von Geld darstellen, die letztlich das von der Zentralbank ausgegebene Bargeld digitalisieren würde. Eine Retail-CBDC würde parallel zum Giralgeld der Banken und Bargeld zirkulieren und als generelles Zahlungsmittel verwendet werden. CBDC lassen sich anhand zahlreicher Gestaltungsmerkmale unterscheiden (Hanl und Michaelis, 2019). Sie können Peer-to-Peer handelbar sein (Wert-basierte CBDC) oder können über Konten bei der Zentralbank zugänglich gemacht werden (Konten-basierte CBDC). Eine Wert-basierte CBDC wäre dem aktuellen physischen Bargeld sehr ähnlich, da die CBDC-Einheiten als zwischen den Parteien direkt übertragbare Token in die Realwirtschaft emittiert werden würden. Somit wären CBDC wie Bargeld Peer-to-Peer, also ohne Intermediär, übertragbar. Eine Konten-basierte CBDC würde in der Übertragung Bankeinlagen ähneln.
Bei beiden Ausgestaltungsformen gibt es die Möglichkeit, dass die CBDC-Einheiten direkt von der Zentralbank ausgegeben werden oder dass Intermediäre, wie z. B. Banken, die digitalen Geldeinheiten von der Zentralbank erhalten und diese dann für den Kunden verwalten. Zudem kann eine CBDC – ähnlich wie Giralgeld – einen Zinsertrag abwerfen. Eine zinstragende CBDC hätte mitunter erhebliche Auswirkungen auf die Geldpolitik der Zentralbanken (Hanl und Michaelis, 2019). Im Falle einer Retail-CBDC würden die von der Zentralbank gesetzten Zinsen nicht wie im aktuellen System nur für die Banken, sondern für alle, also auch für Nicht-Banken, gelten. Dies könnte die Effizienz der Geldpolitik erhöhen, den Transmissionsmechanismus auf die Zinsen der Banken jedoch verändern. Einige Ökonomen sehen auch die Möglichkeit, durch CBDC effektiv Negativzinsen besser durchzusetzen.
Die Motive, eine Retail-CBDC einzuführen, sind vielfältig (vgl. Tabelle 1, Boar et al., 2020; Bank of England, 2020). Zentralbanker erhoffen sich von einer CBDC-Einführung primär eine erhöhte Resilienz des Finanzsystems, was mit einer höheren finanziellen Stabilität einhergehen würde: Zum einen würde eine CBDC-Einführung zu Geldflüssen vom Bankensektor zur Zentralbank führen. Dadurch würde das Ausmaß möglicher Bankturbulenzen auf die Volkswirtschaft reduziert werden. Zum anderen würde die operative Resilienz der Zahlungsnetzwerke verbessert, indem Zahlungsmöglichkeiten diversifiziert werden und ein sicheres und öffentliches digitales Zahlungssystem geschaffen wird. Somit wäre es in einer Welt mit CBDC deutlich unwahrscheinlicher als im aktuellen System, dass private Zahlungsnetzwerke, wie Mastercard, Visa oder auch ApplePay, und öffentliche Zahlungssysteme, z. B. von der Zentralbank, gleichzeitig ausfallen würden (Delivery vs. Payment).
1 | Unterstützung eines stabilen und resilienten Zahlungssystem |
2 | Unterbindung neuartiger Formen privater Gelderzeugung |
3 | Unterstützung des Wettbewerbs, der Effizienz und der Innovation im Zahlungsverkehr |
4 | Bereitstellung eines Zahlungssystems in der digitalen Wirtschaft |
5 | Verfügbarkeit und Verwendbarkeit von Zentralbankgeld sichern |
6 | Auf Rückgang der Bargeldnutzung reagieren |
7 | Grundstein für effizientere internationale Geldtransfers |
Quelle Bank of England
Um die Sicherheit des Zahlungsverkehrs zu erhöhen, könnte eine DLT, wie die Blockchain-Technologie, als technologische Basis für eine CBDC eingesetzt werden. Im aktuellen Geldsystem werden Transaktionsdaten meist zentral auf den Servern der beteiligten (Zentral-)Banken gespeichert. Bei DLT-Systemen werden Daten hingegen gleichzeitig auf mehreren Computern und somit in einem verteilten Register gespeichert. Diese dezentrale Speicherung macht DLT-Systeme widerstandsfähiger gegen Hackerangriffe, da Single-Points-of-Failure entfallen. Aufgrund der Mehrfachspeicherung der Transaktionsdaten ist es nicht möglich, Transaktionsdaten zu manipulieren oder im Nachhinein anzupassen.
Außerdem könnten CBDC Marktversagen im aktuellen Zahlungsverkehrssystem adressieren. Zwar scheint es heutzutage der Fall zu sein, dass digitale Zahlungen z. B. per Kreditkarten, EC-Karten oder Smartphones bereits instantan ablaufen und verarbeitet werden – allerdings nimmt die Abwicklung (Settlement) der Zahlungen häufig mehrere Tage Zeit in Anspruch, sodass der Verkäufer mehrere Tage auf den Zahlungseingang warten muss. Somit gibt es mehrere Parteien, die in Vorauszahlung treten und einem Gläubigerrisiko ausgesetzt sind (Bank of England, 2020). Eine CBDC könnte die Abwicklung der Zahlungen beschleunigen und die Effizienz steigern. Im Kontext des Settlements wäre die Nutzung einer DLT von Vorteil, da nur DLT-Systeme es ermöglichen, Leistung (z. B. Kauf eines Guts) und Gegenleistung (z. B. die Bezahlung des Guts) auf integrierten Plattformen zu organisieren, was neben Real-Time-Settlements auch zu automatisierter Leistungserbringung führen würde.
Zudem könnte eine CBDC dabei helfen, Transaktionskosten zu senken. Vor allem im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr sind Transaktionskosten aktuell noch sehr hoch – im Durchschnitt kostet eine grenzüberschreitende Transaktion 7 % Gebühren und
Auslandsüberweisun gen dauern teilweise bis zu zehn Tage (o. V., Handelsblatt, 2019). Hier könnte ein DLT-basiertes System ansetzen und die Komplexität der Zahlungssysteme reduzieren, da viele Mittelsmänner in DLT-Systemen nicht mehr benötigt werden würden (z. B. Clearing-Stellen). Dies würde zu erheblichen Kostensenkungen und einer schnelleren Abwicklung von Transaktionen führen.
Die Einführung einer DLT-basierten CBDC würde zudem Geldflüsse programmierbar machen. Bei programmierbaren Transaktionen handelt es sich um Zahlungsvorgänge, die einer bestimmten Logik folgen und auch automatisch ausgeführt werden können. Derzeit gibt es etwa bereits Daueraufträge, Treuhandprozesse, Zinszahlungen, Leasing-Zahlungen und Factoring-Modelle, die letztlich programmierte Transaktionen sind, bei denen Zahlungen immer dann stattfinden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind bzw. ein bestimmtes Ereignis eingetreten ist. Mittels DLT können solche und weitaus komplexere Prozesse mit wenigen Zeilen Programmcode durch „Smart Contracts“ und ohne Intermediäre umgesetzt und automatisiert werden.
Programmierbare Transaktionen haben vor allem im Kontext der Machine Economy enormes Potenzial. So würden es Smart Contracts ermöglichen, dass an die DLT angeschlossene Internet-of-Things (IoT)-Geräte, wie etwa Maschinen, Autos und Sensoren, Dienstleistungen auf Pay-Per-Use-Basis oder auch Leasing oder Factoring anbieten können. IoT Analytics erwartet, dass 2025 mehr als 20 Mrd. Geräte mit dem Internet verbunden sein werden. Die DLT ist am besten dafür geeignet, Millionen von Geräten mit einer eigenen digitalen Brieftasche (Wallet) auszustatten, über die dann CBDC direkt von Wallet zu Wallet transferiert werden können. Zudem könnten durch programmierbare Transaktionen z. B. Steuerzahlungen an das Finanzamt oder Dividendenzahlungen an Aktionäre automatisiert werden (Bank of England, 2020). Schließlich könnte eine DLT-basierte CBDC Mikrozahlungen ermöglichen, da mithilfe der DLT kleine Transaktionen zu sehr geringen Transaktionskosten durchgeführt werden könnten. Dadurch könnte sich das Geschäftsvolumen von Mikrozahlungen deutlich erhöhen und es könnten sich neue Dienstleistungen rund um Mikrozahlungen entwickeln.
Rollout einer CBDC am Beispiel des digitalen Euros
Diskutiert wird die Einführung in zwei Varianten:
Die erste Variante geht von einer Einführung mittels eines „big bang“-Ansatzes aus. Hierzu müsste der digitale Euro als sogenanntes Retail-CBDC ausgestaltet werden. Ein Retail-CBDC würde Endkunden, mithin Verbrauchern und Nichtbanken, den direkten Zugang zur CBDC ermöglichen und eine unmittelbare Verwendung als Zahlungsmittel finden.
Gegen die Einführung eines Retail-CBDC spricht die Befürchtung, dass ein solcher „big bang“-Ansatz die beteiligten Finanzinstitute – welche nach den Plänen einer Zentralbank im System einer digitalen Währung eine zentrale Rolle beispielsweise als Clearing- und Settlement-Institutionen oder Gatekeeper einnehmen sollen – schnell überfordern könnte. So müssten parallel zur Anpassung der Kernbanksysteme alle Umsysteme für die Nutzung durch den digitalen Euro ertüchtigt werden. Dies wäre – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der parallel zu beachtenden regulatorischen Vorgaben an die Banken-IT einerseits und der bestehenden Wechselwirkungen zwischen den Systemen andererseits – eine Herkulesaufgabe.
Vor diesem Hintegrund wird verschiedentlich die stufenweise Einführung einer digitalen Währung präferiert. Dabei würde die digitale Währung in einer ersten Stufe als, wie bereits beschriebene, Wholesale CBDC nur im Interbankenverkehr und Wertpapierthandel verwendet werden.
Erst in einer zweiten Stufe (Retail CBDC) erhielten dann die Endkunden umittelbaren Zugang zu der digitalen Währung.
Der Anpassungbedarf an den bestehnden Systemen wäre so auf die für den Internbankenverkehr erforderlichen Systeme reduziert. Dies wirkt sich risikominimierend aus. Zudem könnte durch die Einführung von Wohlesale CBDC das bereits bestehende zweistufige Geldsystem beibehalten und ein effizienteres Interbanken Zahlungssystem etabliert werden.
Aktuell diskutieren Zentralbanker und andere Ökonomen intensiv darüber, wie genau ein Retail-CBDC-System ausgestaltet werden sollte, ohne die finanzielle Stabilität des bestehenden Geldsystems zu gefährden. Bundesbankpräsident Jens Weidmann verweist auf das Risiko eines „digitalen Bank Runs“, wenn Kunden ihre Bank-Einlagen in das neue digitale Zentralbankgeld „per Mausklick“ umtauschen könnten (o. V., Handelsblatt, 2020). Zwar kann es auch im aktuellen Geldsystem zu Bank Runs kommen, allerdings sind solche Runs durch Friktionen und Kosten für das Abheben und Lagern von physischem Bargeld beschränkt. Diese Friktionen und Kosten wären bei CBDC deutlich geringer, da Lagerkosten und Versorgungsengpässe an Geldautomaten entfallen würden (Bank of England, 2020).
Würde es zu einem digitalen Bank Run kommen, könnten die Liquiditätsbestände der Banken in Form von Zentralbankreserven durch den Abfluss von Einlagen aus dem Bankensystem zur Zentralbank (Disintermediation des Bankensektors) bedroht werden – im schlimmsten Fall könnten Bank-Insolvenzen drohen. Im Extremfall könnten Banken zu reinen Intermediären werden und keine Geldschöpfung per Kreditvergabe mehr betreiben. Allerdings ist eine gewisse Umschichtung der Kunden von Giralgeld in CBDC notwendig, damit CBDC letztlich für Transaktionen genutzt werden können. Es soll insofern gewährleistet werden, dass die Disintermediation nicht so groß ausfällt, dass Banken in finanzielle Schieflage geraten.
Bisher wurden verschiedene Konzepte entwickelt, wie ein digitaler Bank Run und eine Disintermediation des Bankensektors verhindert werden könnten:
- Autoren der Bank of England schlagen vor, ein paralleles Zahlungssystem der Zentralbank zu etablieren, das einen direkten Umtausch und digitales Abheben von Giralgeld in CBDC unmöglich macht (Kumhof und Noone, 2018).
- In einer Publikation der EZB wird ein zweistufiges (Tiered-) CBDC-System mit zwei unterschiedlichen Zinssätzen auf die vom Nicht-Bankensektor gehaltenen CBDC-Guthaben vorgeschlagen, um Banken-Disintermediation zu verhindern (Bindseil, 2020). Wird ein bestimmter CBDC-Schwellenwert auf dem Zentralbankkonto überschritten, würde der überschüssige CBDC-Betrag mit 0 % oder sogar negativ verzinst werden. Das macht das Halten von CBDC in großen Mengen – also als Wertaufbewahrungsmittel – unattraktiv, da der überschüssige CBDC-Betrag niemals positiv verzinst werden würde.1
- Eine weitere Alternative wäre die Einführung von Maximalbeträgen, die Kunden in CBDC halten dürfen (Bank of England, 2020). Maximalbeträge würden ebenfalls dazu führen, dass CBDC primär für Transaktions- und nicht für Wertaufbewahrungszwecke genutzt würden. Dies würde das Geschäft der Banken schützen und somit eine erhebliche Disintermediation des Bankensektors verhindern.
Neben Gefahren für die finanzielle Stabilität werden häufig auch Risiken für den Datenschutz diskutiert. Heutzutage unterscheiden sich Transaktionen per Apple Pay, Paypal, per Banküberweisung oder per Bargeld anhand ihres Grads an Datensicherheit und Anonymität. Wird eine Zahlung z. B. über Apples Bezahldienst Apple Pay oder über Paypal abgewickelt, sind die (sensiblen) Transaktionsdaten für Apple oder Paypal einsehbar. Bei einer Banküberweisung können Banken auf die Transaktionsdetails zugreifen. Bargeldtransaktionen laufen jedoch auf Peer-to-Peer-Basis ab und bieten, wenn gewünscht, Anonymität zwischen den Transaktionspartnern, aber vor allem auch gegenüber der Zentralbank.
Ein hoher Grad an Datensicherheit und ein gewisses Maß an Anonymität sollte auch bei Transaktionen in CBDC gewährleistet werden.
Die aktuellen Forschungsbeiträge der EZB und der Bank of England verdeutlichen, dass es auch in CBDC-Systemen die Möglichkeit geben sollte, Transaktionen teilweise anonym durchzuführen. In einem im Dezember 2019 veröffentlichten Papier stellt die EZB (2020), ein konkretes DLT-basiertes Retail-CBDC-System vor, in dem (teilweise) anonyme Zahlungen gewährleistet werden. Die EZB emittiert in diesem System lediglich CBDC-Einheiten – Banken übernehmen administrative Aufgaben, wie die Überprüfung von Anti-Geldwäsche-Bestimmungen und die Verwahrung der CBDC mithilfe eigener Wallets und Custody Lösungen.
Innerhalb des Systems sind (teilweise) anonyme Zahlungen garantiert, die gleichzeitig Anti-Geldwäsche-Bestimmungen berücksichtigen. Technisch wird diese (Teil-)Anonymität dadurch umgesetzt, dass die Identität des Nutzers und die Transaktionshistorie der Zentralbank (und der Anti-Geldwäsche-Behörde) nicht bekannt gegeben werden, wenn sogenannte Anonymity Vouchers der Zahlung beigefügt werden. Jedem Bürger wird eine bestimmte Zahl an Anonymity Vouchers gutgeschrieben, mit denen anonyme Transaktionen durchgeführt werden können. Sobald alle Vouchers eingelöst worden sind, werden Zahlungen nicht mehr anonym durchgeführt.
Das von der EZB konkret vorgeschlagene System hat jedoch den Nachteil, das die Zahlungsdetails für die abwickelnden Banken einsehbar sind. Die Anonymität ist insofern nur zwischen den Akteuren der Transaktion und der Zentralbank gegeben. Diese Einschränkung ist ein klarer Nachteil des Prototyps und sollte in zukünftigen Entwicklungen berücksichtigt werden. Dennoch ist dieses Paper ein guter Ausgangspunkt, um die Anonymität in Retail-CBDC im Kontext mit DLT weiter zu analysieren.
Auch die Bank of England betont in einem aktuellen Forschungspapier, dass ein CBDC-System mit Datenschutzbestimmungen, wie der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), in Einklang stehen muss. Es soll jedem Kunden das Recht eingeräumt werden, Kontrolle darüber zu erhalten, wie seine Daten genutzt werden und mit welchen Teilnehmern diese geteilt werden. Die Bank of England bringt die Option ins Spiel, dass Transaktionsdaten mit relevanten Behörden, die z. B. die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung adressieren, geteilt werden, allerdings nicht mit Verkäufern oder anderen Unternehmern, die die Kaufgewohnheiten der Kunden auswerten. Die beiden Vorschläge der EZB und der Bank of England weisen darauf hin, dass auch in einer CBDC-Welt Datenschutz einen hohen Stellenwert bekommen soll, was für eine weitreichende Verbreitung von CBDC essenziell ist.
CBDC mittels Distributed Ledger Technologie ?
Weiter wird diskutiert, ob eine zentrale Wärhung wie z. Bsp. der digitale Euro mittels Blockchain bzw. Distributed Ledger Technology (DLT) umgesetzt werden sollte. Länder wie China sind diesen Weg bereits gegangen. Die Nutzung dieser Technologien würde eine Reihe von Vorteilen bringen, welche mittels anderer technischer Realisationen nur mit erheblichem Aufwand realisierbar wären. So sind Industrie 4.0-Anwendungsfälle denkbar, in denen Maschinen untereinander mittels machine-to-machine-Communication (M2) Leistungsbeziehungen auf Basis ihrer Programmierung weitestgehend autonom abwickeln.
Voraussetzung hierfür wäre, dass die digitale Währung „programmierbar“ ausgestaltet wird. Infolgedessen wären smart contracts möglich. Mit diesen ist es möglich, rechtlich relevante Handlungen, insbesondere einen tatsächlichen Leistungsaustausch, in Abhängigkeit von digital prüfbaren Ereignissen zu steuern. Einer weiteren Vertragsüberwachung bedarf es nicht. Dies ermöglicht bildlich gesprochen „fire-and-forget“-Transaktionen, welche sich durch kaum vorhandene Kosten für die Vertragsüberwachung auszeichnen. Die Kryptowährung Ether hat vorgemacht, welches Potenzial in dieser Technologie steckt.
Bei allem Interesse der Industrie an derartigen Lösungen ist es keineswegs eine ausgemachte Sache, dass eine digitale Währung tatsächlich auf Basis von DLT eingeführt wird. Dies zeigen die von der EZB im Report on a Digital Euro skizzierten alternativen Lösungen. Diese sind teilweise mittels traditioneller Systemarchitekturen realisierbar. Für die Nutzung dieser etablierten Techniken könnte nicht zuletzt das Risiko einer ansonsten fehlenden Akzeptanz sprechen. So wird „die Blockchain“ in der breiten Bevölkerung nach wie vor undurchsichtigen und risikanten Kryptogeschäften assoziert und einer damit verbundenen Währungsinstabilität.
„Wer den Hafen nicht kennt, für den ist kein Wind der richtige“
Das Zitat von Seneca kann man durchaus auf die aktuelle Situation rund um das Thema CBDC übertragen. Implementierungsprojekte zur Einführung von digitalen Währungen (CBDC) sind nur dann zielführend, wenn mindestens die Basis der technischen Umsetzung bekann ist.
Dies ist bislang noch nicht der Fall. Den IT-Abteilungen bleibt insofern vorerst nur die Möglichkeit, die Zeit zur Schaffung der strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für entsprechende Implementierungsprojekte zu nutzen. Betrachtet man die Komplexität des Unterfangens, bleibt selbst im Falle einer optimalen Vorbereitung entsprechender Implementierungsprojekte offen, wieviel Zeit nach der Festlegung der ersten technischen Rahmenbedingungen vergeht, bevor erste Implementierungen produktiv genutzt werden können.
Der Ansatz von CBDC Plattformen ist durchaus hilfreich, Ripple bietet diese aktuell an, jedoch lösen sie nicht alle Herausforderungen und Fragen welche eine Einführung einer digitalen Währung mit sich bringt.
Auch eine Zentralbank steht im internationalen Wettbewerb. Verschiedene Initiativen, wie die der EZB, für einen erfolgreichen Markteintritt des digitalen Euros sind sehr komplex. Dabei bieten die Technologieauswahl, die Integrationslösung und die Markteintrittsstrategie sowohl enorme Chancen als auch Risiken, die es zu schwächen gilt.
Supranationale regulatorische Initiativen haben sich bereits gebildet und werden die Adaption der CBDCs weiter vorantreiben. Bereits heute bauen führende deutsche und europäische Schlüsselbanken neue Krypto-Dienstleistungen auf, etablieren strategische Allianzen und führen Akquisitionen durch, um den Zukunftsmarkt bedienen zu können.
Die europäische Hoffnung bleibt in der technologischen und strategischen Ausgestaltung des digitalen Euros. Diese Informationen sind voraussichtlich in ein bis zwei Jahren zu erwarten. Die frühe Einführung und Adaption des digitalen Renminbis (Währung der Volksrepublik Chinas) könnten als Katalysator der europäischen CBDC-Entwicklung dienen.
Die Einführung eines digitalen Euros wird zur logischen Folge haben, dass konkurrierende Kryptowährungen, welche nicht von einer Zentralbank emittiert und reguliert werden, lediglich als Commodities mit Zahlungsmittelcharakter betrachtet werden. Sie werden weiterhin mitunter. als Spekulationsobjekte und als Inflationsschutz dienen.
Es ist jedoch zu erwarten, dass die Anwendungsgebiete der Kryptowährungen weiter zunehmen werden und somit der „regulatorische Druck“ zur Wahrung der geldpolitischen Souveränität der Europäischen Zetralbank nicht verloren geht. Dies ist grundsätzlich eine positive Entwicklung, um mehr Sicherheit in einen intransparenten Markt zu erhalten.
It’s time for action now.
Sarah Rentschler-Gerloff Practice Partner Management Banking und Capital Markets NCE s.rentschler-gerloff@dxc.com |
Literatur
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Boar, D., H. Holden und A. Wadsworth (2020), Impending Arrival – a Sequel to the Survey on Central Bank Digital Currency, BIS Papers, 107.
Hanl, A. und J. Michaelis (2019), Digitales Zentralbankgeld als neues Instrument der Geldpolitik,Wirtschaftsdienst, 99(5), 340-347,https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2019/heft/5/beitrag/digitales-zentralbankgeld-als-neues-instrument-der-geldpolitik.html
Groß, J., B. Herz und J. Schiller (2019), Libra – Konzept und wirtschaftspolitische Implikationen, Wirtschaftsdienst, 99(9), 625-631,https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2019/heft/9/beitrag/libra-konzept-und-wirtschaftspolitische-implikationen.html.
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